Die Recycling-Sammelstelle, die Elektrofirma und die gewerblich-industrielle Schule sind klassische Männerdomänen. Doch genau hier sind diese drei Frauen Chefinnen. Ein Einblick in ihr Berufsleben.
Text: Simon Balissat, Fotos: Sandra Ardizzone
Claudia Hug, Rektorin Bildungszentrum Limmattal
Claudia Hug habe eigentlich zwei Familien, sagt sie. Da sind der 11-jährige Sohn und die 8-jährige Tochter. Und dann ist da das Bildungszentrum Limmattal in Dietikon, eine Berufsfachschule für Logistik und Technologie. Hier ist Claudia Hug Rektorin, und sie sagt selbst, es sei eher selten, dass eine Frau an der Spitze einer gewerblich-industriellen Berufsfachschule stehe. Dabei hatte sie nach Abschluss des Sportstudiums nicht die Absicht, einmal eine Schule zu leiten. «Ich habe mit zwei Stunden Schulsport angefangen, jetzt bin ich Rektorin.» Seit bald vier Jahren hat sie den Posten inne und ist Teil eines rein weiblichen Leitungsteams. Ältere Lehrpersonen waren ihr gegenüber zuerst skeptisch. «Aber es hat sich wahnsinnig viel getan in den letzten Jahren. Heute bin ich akzeptiert.» Doch unpopuläre Entscheide werden von den Kollegen manchmal immer noch besonders in die Waagschale gelegt. «Klopfen Männer auf den Tisch, ist das normal. Ich klopfe zwar nicht auf den Tisch, aber schlage klare Töne an. Das kommt nicht immer gut an. Aber als Führungsperson kann ich nicht ‹Everybodies Darling› sein.» Bestes Beispiel ist die Digitalisierung, die manche aus dem Team fordert. Hug legt darauf aber besonderen Wert: «Während die Lernenden bei der Arbeit mitbekommen, wie schnell alles digitaler und agiler wird, waren wir mit der angezogenen Handbremse unterwegs.» Das soll sich unter ihrer Führung ändern.
Karin Bertschi, Geschäftsführerin Recycling-Paradies
Eine Recycling-Sammelstelle hatte lange ungefähr einen so guten Ruf wie eine Kläranlage. «Sie galt als dreckiges Geschäft, wo man angeschnauzt wird, wenn man das Recycling-Material nicht in den richtigen Container tut», sagt Karin Bertschi. Nicht so bei den Bertschis. Ihre Recycling-Paradiese, wie sie ihre Sammelstellen genannt haben, gleichen eher einer Wohlfühloase: sauber, aufgeräumt und mit hilfsbereiten Mitarbeitenden. «Wir wollten sehr bewusst Familien ansprechen, Recycling zu einem Erlebnis machen, zu einem Ort, an dem man sich am Samstag trifft.» Zusammen mit ihren drei Geschwistern beschäftigt Karin Bertschi fast 40 Personen an vier Standorten im Aargau. Die letzte Eröffnung war in Spreitenbach, demnächst soll noch eine Filiale in Gränichen dazukommen. «Das Recycling-Paradies ist ein Familienunternehmen, in dem alle ihre Stärken ausleben können. Ich bin zwar Geschäftsführerin, aber wir sind alle vier eingebunden.» Ohne ihre Geschwister wäre sie nie so weit gekommen, sagt sie. «Eine junge Frau, die ein Unternehmen in der Abfallbranche führt, das sorgt für Schlagzeilen. Das und der Fakt ‹stöckelschuhtauglich› entsorgen zu können, waren auf jeden Fall Vorteile, um unserer Branche Aufwind zu verleihen», gibt sie unumwunden zu. Die «Recycling-Queen», wie sie der «Blick» betitelt, will aber auch zurückgeben und ermöglicht älteren Menschen und Asylbewerbern den (Wieder-)einstieg ins Berufsleben.
Jenny Euringer, Geschäftsleiterin Elektrorama
«Die freundlichen Stromer von nebenan», ist der Slogan von Elektrorama. Oder im Fall von Jenny Euringer: die freundliche Stromerin von nebenan. Weil Mathe und Physik sie am meisten interessierten, machte sie eine Lehre als Elektromonteurin. Nach dem Abschluss suchte ihr Vater jemanden im Büro, da stieg sie ein. Learning by Doing sei das gewesen, sagt sie. Es folgten das Handelsdiplom, der Einstieg in die Geschäftsleitung und die Meisterprüfung. «Chefin zu sein, war nie mein Ziel, aber jetzt bin ich es sehr gerne.» Die Meister-Ausbildung absolvierten neben ihr noch drei weitere Frauen. «Während meiner Lehrzeit war ich aber oft die einzige Frau auf der Baustelle.» Der Umgangston dort sei rau, man brauche ein gesundes Selbstbewusstsein und müsse oft «ellbögle». Und natürlich gibt es auch immer noch Vorurteile. «Ich habe mich daran gewöhnt und mir über die Jahre den nötigen Respekt verschafft. Heute geben meine Mitarbeiter vor den Kunden oder anderen Handwerkern sogar damit an, dass sie eine Chefin haben.»
Der Text erschien in der Mai-Ausgabe 2021 des «36 km» - das Magazin für die Limmatstadt!