Abspringen, abtauchen, abheben – der Raum in der Limmatstadt ist vielseitig erlebbar. Drei Abenteurer nutzen ihn auf ganz unterschiedliche Weise und brechen damit aus dem Alltag aus.
Text: Claudia Jucker, Fotos: Andi Speck
In Zürich zu wohnen, kommt für Jan Aeschimann nicht infrage. Der 30-Jährige ist vor einigen Jahren für seinen Job von Bern nach Schlieren gezogen und wohnt zusammen mit Freunden in einer WG mit Dachterrasse. «Schlieren ist cool. Die Stadt entwickelt sich so schnell, dass wir dabei zusehen können», erzählt er. Er schätzt aber auch die Nähe zu Wald und Vitaparcours. «Schlieren bietet für mich die ideale Kombination zwischen Natur und Stadt.» Regelmässig joggt er entlang der Limmat zwischen Glanzenberg und Langwisen. Seine Begeisterung ist ansteckend. Schon vier weitere Kollegen sind wegen seiner WG und ihm nach Schlieren gekommen.
Stadtdschungel Schlieren
Schlieren ist für Jan Aeschimann auch eine Spielwiese. Hier findet er die perfekte Ausgangslage für seinen Lieblingssport Parkour, bei dem der städtische Raum auf unkonventionelle Art und Weise erkundet wird. Von einer Mauer springen oder auf Geländern balancieren ist ganz normal. Manche Profis springen sogar von Hausdach zu Hausdach. Parkourläufer Jan Aeschimann liebt es, wenn er seine städtische Umgebung spielerisch einbinden kann. «Wenn ich nach einem Tag im Büro auf einem Geländer balanciere und ganz im Hier und Jetzt bin, kann ich die Alltagssorgen hinter mir lassen.» So ein Training dauert im Schnitt zwei Stunden. Aufwärmen, mobilisieren, fokussieren, Muskulatur dehnen, Kraft aufauen. Wöchentlich trainiert er auch mit der Parkour-Community ParkourONE. «In Schlieren gibt es viele interessante Spots. Zum Beispiel in einer modernen Wohnsiedlung an der Wiesenstrasse. Zwischen den Holzbänken kann ich spielerisch neue Techniken ausprobieren.»
Bei den Hochhäusern an der Spitalstrasse schätzt Jan den vielseitigen Hinterhof und die spannende Architektur. Hierher kommt er, um auf dem Geländer zu balancieren oder anspruchsvollere Sprünge zu üben. Einer davon heisst Handwechlser oder in Parkoursprache «Lazy Vault». Dabei springt Jan Aeschimann nur mit Hilfe seiner Hände über ein Hindernis. Beim Parkour wird aber alles in Füssen gemessen. «Weil man die immer dabei hat», schmunzelt er. Sein Trainer gibt alle Distanzen in Fusslängen an. So weiss Jan Aeschimann, dass er bei einer Distanz von sieben Füssen seine Kraft noch etwas zurücknehmen muss. Denn springen kann er neun Füsse weit. Dank Parkour hat er seine neue Heimat so im «Fussumdrehen» kennengelernt.
Abenteuer Flusstauchen
Zwischen Diego Cintula und dem Flussgrund hingegen hat nur gut eine Fusslänge Platz. Der 34-Jährige ist aus gebildeter Flusstaucher und regelmässig in der Limmat unterwegs. Er bietet über seinen Tauchershop Miaru Flusstaucherausbildungen an oder geht zu zweit auf Erkundungstour. Dabei muss er immer auf der Hut sein. Denn die Strömung ist stark. Aufgewachsen in Oetwil an der Limmat, hatte er die idealen Voraussetzungen für sein Hobby direkt vor der Haustür. Einer der beliebtesten Tauchspots befindet sich nämlich dort, wo die Mutschellenstrasse über die Limmat führt. Offiziell verläuft hier die Kantonsgrenze. Doch spätestens unter Wasser verschwimmt sie.
Diego Cintula mag das Abenteuerliche am Flusstauchen. «Es ist sehr abwechslungsreich, und ich entdecke mehr als im See, weil der Fluss ständig in Bewegung ist.» Schlüssel oder auch Handys, die durch die «Gummiböötle-Mode» massenhaft auf dem Grund liegen, sieht er auf seinen Tauchgängen oft. Von den vielen Einkaufswagen, Motorrädern, Scootern und Velos ganz zu schweigen. «Früher haben die Leute alles Mögliche im Fluss entsorgt. Das ist heute zum Glück nicht mehr so extrem.»
«Früher haben die Leute alles Mögliche
im Fluss entsorgt. Das ist heute zum
Glück nicht mehr so extrem.» Diego Cintula
Hin und wieder finden seine Kollegen und er auch Waffen, Munition oder Tresore. Dann wird selbstverständlich die Polizei informiert. «Manchmal hat man schon das Gefühl, Teil eines Krimis zu sein. Aber eigentlich finde ich die vielen Fische und die grossen, schönen Hechte, die mich auf meinem Tauchgang begleiten, viel spannender», gibt er mit einem breiten Lachen zu. afür, dass sich Hecht & Co. weiterhin wohlfühlen, setzten sich Diego Cintula und seine Kollegen auch ein. Die Aktion, ursprünglich initiiert vom Fischerverein Würenlos, mutet für Aussenstehende ziemlich kurios an: Nach Weihnachten banden die Flusstaucher ausgediente Christbäume aus der Region zusammen und versenkten sie in der Limmat. Unter Wasser dienen die Tannen im kommenden Frühling als geschützte Laichplätze.
CO2-neutral fliegen
Darüber, dass er mit seinen Flugzeugen dem Klima schaden könnte, muss sich der flugbegeisterte Pensionär Markus Kohler keine Sorgen machen. Der 60-Jährige navigiert seine Modellflugzeuge schon fast sein ganzes Leben lang durch die Luft. Seine zehn Modelle, die er fein säuberlich verpackt auf dem Estrich lagert, sind ganz unterschiedlich: Ein Flieger beeindruckt mit einer Flügelspannweite von vier Metern, und die Gleitschirmpilotin Lea ist ein kleiner Roboter mit einem echten Fallschirm. Schon mit vierzehn Jahren wurde der Oetwiler Mitglied der Modellfluggruppe Dietikon, in der er sich bis heute engagiert. «Ich wollte immer Pilot werden und liebte es, Flieger zu bauen und zu steuern. Heute bringt mich die Geselligkeit auf den Platz.»
Auch fürs Fliegen braucht es einen Platz auf dem Boden. Seit dem Sommer hat der Verein seine Startbahn auf einem Feld zwischen Fluss und Autobahn bei Spreitenbach. Den Platz beim Rangierbahnhof in Dietikon mussten sie nach über 24 Jahren räumen, weil dort das neue Tramdepot der Limmattalbahn entstand. «Es gibt nur noch ein paar wenige Orte, an denen wir unsere Modelle fliegen lassen können. Dass wir diesen Platz gefunden haben, ist vor allem unserem Präsidenten Walter Schärer zu verdanken. Die Piste bietet ideale Voraussetzungen für uns, und wir stören niemanden.»
«Es gibt nur noch ein paar
wenige Orte, an denen wir unsere
Modelle fliegen lassen können.»
Markus Kohler
Markus Kohler kommt mehrmals in der Woche mit unterschiedlichen Modellen auf den Platz. Wetter und Wind bestimmen, welches Modell zum Einsatz kommt. Es gibt Freiflugmodelle, die ungesteuert fliegen, und solche mit Fernbedienung. 150 Meter Flughöhe ist erlaubt. Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Flieger in einem Baum hängen bleibt. Die Modellfluggruppe sei ausserdem ein berufliches Sprungbrett, erzählt er stolz: «So mancher Jungspund ist bei uns im Verein gestartet und fliegt heute als Linienpilot über unsere Köpfe hinweg!»
Der Text erschien in der November-Ausgabe 2021 vom 36 km – Magazin für die Limmatstadt.